Die Römerstraße und Steinbrunn

Im Gewerbegebiet Müllendorf, auf der Baustelle östlich vom großen „Lidl“-Logistikzentrum, wo weitere Hallen errichtet werden sollen, wurden im Frühjahr 2021 Reste einer römischen Straße gefunden, die im Sommer 2021 mit einer Notgrabung archäologisch erschlossen wurden. Der Fund wirft einige Fragen auf, die auch Steinbrunn betreffen.

Es bestehen keine Zweifel, dass es sich um eine römische Straße handelt; ganz typische ist die mit Steinen ausgelegte „Fahrbahn“, die mit großen Steinen und solide errichteten Entwässerungsgräben begrenzt wurde. Eigenartig ist, dass nur mehrere, einige Meter lange Überreste der Straße ausgegraben wurden, aber keine durchgehende Trasse. Zwischen den Teilstücken wurden überhaupt keine Straßenreste gefunden wurden (siehe Foto, wo die drei gefundenen Teilstücke zu sehen sind).


Eine Erklärung dafür könnte sein, dass die Steine der Straße in späterer Zeit von einigen Feldbesitzern einfach weggeräumt wurden (zB zum Hausbau), da sie bei Umackern und beim Wachstum der Feldfrüchte störten, einige Besitzer die Steine aber in der Erde beließen. Dafür spricht, dass die schmalen Streifenfluren, die hier jahrhundertelang landwirtschaftlich genutzt wurden, die Römerstraße fast im rechten Winkel kreuzten. Jene Bauern, die die Steine auf ihren schmalen Parzellen nicht wegräumten, könnten so dafür gesorgt haben, dass uns meterweise einige Reste der Römerstraße erhalten blieben.

Die Straße lief parallel zur heutigen Landesstraße, führte also von der Senke zwischen Leithaberg und Föllig bei Müllendorf/Großhöflein Richtung Steinbrunn. Einige Gedanken aus Steinbrunner Sicht dazu:

Römische Straßen waren militärische Anlagen, die sorgfältig geplant und errichtet wurden und stets wichtige Zentren der damaligen römischen Welt miteinander verbanden. Als Ziel der in Müllendorf gefundenen Straße sind zwei markante geographische Punke im südlichen Wiener Becken denkbar:

  • die sogenannte Wiener Neustädter Pforte bei Pöttsching, ein alter, natürlicher Weg zwischen der kleinen pannonischen Tiefebene und dem südlichen Wiener Becken oder
  • die sogenannte Ebenfurther Pforte, also die Route über Steinbrunn und Neufeld nach Ebenfurth, wo eine durch Schotterbänke gebildete natürliche Furt einen sicheren Übergang über die Leitha ermöglichte.

In jedem Fall führte die Römerstraße durch Steinbrunn. Aus Steinbrunn selbst könnten zwei interessante archäologische Funde in Verbindung mit der Römerstraße stehen:

  • Im Bereich des Bründlfelds, das ist ein alter Flurname für den Bereich, wo sich heute die Bründlfeldgasse befindet (südlich der Volksschule), wurde schon im 19. Jahrhundert ein römischer Grabstein gefunden. Die Römer errichteten ihre Gräber bevorzugt entlang von Straßen. Die Verstorbenen und ihre Familien wollten mit ihren Gräbern „gesehen“ werden. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür ganz in der Nähe ist das riesige Gräberfeld bei Schützen am Gebirge, das entlang der Römerstraße zwischen Neusiedlersee und Leithaberg lag und beim Bau der Umfahrung Schützen ergraben wurde.
  • Gab es im Bereich des Bründfelds auch ein Gräberfeld, das an einer Straße lag? Die Römer sind bekannt dafür, dass sie ihre Straßen in möglichst gerader Linie errichteten: Führt man die Müllendorfer Römerstraße in gerade Linie Richtung Steinbrunn weiter, so kreuzt sie unser Dorf im Süden – und hier liegt auch das Bründlfeld.
  • Ein anderer Fund unterstützt allerdings die These, dass die Römerstraße durch die Ebenfurther Pforte weiterverlief. 1939 wurden bei der Regulierung des Sulzbaches, das ist jener Bach zwischen Müllendorf und Steinbrunn, in der Nähe des Jagdhauses beim Hartlwald auffällige, nicht natürliche Steinlagen knapp unter der Erdoberfläche gefunden. Der leitende Bauingenieur vermeinte, eine Römerstraße entdeckt zu haben und ließ die Steine von seinen Arbeitern freilegen. Die Archäologen des Landes verwarfen jedoch diesen Ansatz. Warum? Die auffällige Steinlage, die ohne Zweifel von Menschenhand errichtet worden war, brach nach wenigen Metern ab, also konnte – aus der damaligen Sicht der Archäologen – wohl kein Straßenbau vorliegen. Eine andere Erklärung, welche Funktion die Steinlagen gehabt haben konnten, fand man nicht.
  • Die aktuellen Erfahrungen aus Müllendorf lassen den Fund von 1939 aber in neuem Licht erscheinen: Vielleicht liegt hier das gleiche Phänomen wie beim Straßenabschnitt in Müllendorf vor, wo die Straße auch nach wenigen Metern „abreisst“? Wenn 1939 in Steinbrunn beim Hartl eine Römerstraße gefunden wurde, dann wäre es wahrscheinlich, dass es sich um dieselbe Römerstraße wie in Müllendorf handelt, die Straße also von Müllendorf kommend entlang des Sulzbaches und dann entlang des Hartlwaldes bis nach Neufeld verlief.
  • Ein weiteres Indiz unterstützt diesen Ansatz. Die mittelalterliche Handelsstraße zwischen Ebenfurth und Ödenburg verlief auf Steinbrunner Hotter nicht etwa durch das Dorf, sondern von Neufeld kommend im Norden und dann im Osten am Hartlwald vorbei, also etwa im Bereich der heutigen Raaberbahn, aber ohne wie diese Schleifen zu ziehen. Es wäre also denkbar, dass die Römerstraße entlang dieser Passage nach Ebenfurth geführt hat und später diese Route weiterhin beibehalten wurde. Das würde durchaus Sinn machen.

Spannend, was weitere Forschungen ergeben werden!

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