1923: Der Arbeiter-Radverein wird gegründet

Radfahren in den 1920er-Jahren: Das bedeutete Jugendlichkeit, Technik, Modernität, Freiheit – aber auch Politik. 1923 wurde in Steinbrunn der Arbeiter-Radverein gegründet.

Das „Reichs-Organ der Arbeiter-Radfahrer“ berichtet im Juli 1923 ausführlich von der Gründung:

Zweigverein Stinkenbrunn. Pfingstmontag, den 21. Mai 1923, fand die Konstituierung eines Arbeiter-Radfahrervereines statt. Die Versammlung fand im Gemeindegasthause statt. Der Kreis war durch die Gen. Platzer und Doller vertreten. Gen. Platzer referierte über den Zweck und Nutzen der Arbeiter-Radfahrerorganisationen, welche beifälligst zur Kenntnis genommen wurde. Die Neuwahlen ergaben folgendes Resultat: Mesgolitsch und Frais, Obmänner, Mesgolitsch Michael und Jagoschitz, Schriftführer, Icher und Knaus, Kassiere, Mesgolitsch Stefan und Bedenik, Kontrolle, Rechberger und Pawitschitz, Fahrwarte, Mitrowitsch und Ribitz, Zeugwarte, Premlechner und Koschitz, Beisitzer, Franta und Frais Hornisten. Es sind vorläufig 35 Mitglieder beigetreten und es ist zu hoffen, daß der Verein stärker wird. Die Anzahl der Vereine im nördlichen Burgenland wird immer größer und wir wünschen, daß die Genossen von Steiermark im südlichen Burgenlande mit den Agitationsarbeiten beginnen mögen, damit auch dort die Organisation der Arbeiter-Radfahrer ins Leben gerufen werde. Die steirischen Genossen wollen sich an dem Kreise Wr.-Neustadt ein Beispiel nehmen, damit auch im Süden des Burgenlandes Ortsgruppen ins Leben gerufen werden.

Anmerkungen:

  • Mit Gemeindegasthaus ist das heutige Gemeinschaftshaus gemeint.
  • Die Ortsgruppe wurde von Wiener Neustadt aus initiiert und betreut: Das Burgenland war erste zwei Jahre zuvor zu Österreich gekommen, im jungen Bundesland fehlten Strukturen.
  • Der Arbeiter-Radfahrverein verstand sich als Vorfeldorganisation der Sozialdemokratischen Partei; neben Sport und Freizeit sollte der Verein auch politisch wirken („Agitationsarbeiten“)
  • Die Vereins-Funktionäre tragen typische Steinbrunner Namen. Bezeichnend ist der Versuch, die Namen „einzudeutschen“, also zB statt Mezgolits (kroatisch immer als „Mesgolitsch“ ausgesprochen) den Namen phonetisch auf Mesgolitsch zu ändern.
  • Die Vereinsfunktionen verraten viel über die Aufgaben des Vereins: Fahrwart (kümmert sich im die gemeinsamen Ausfahrten), Zeugwart (verwaltet Ersatzteile) und Hornisten (geben bei den gemeinsamen Ausfahrten und Kundgebungen die Signale).
  • Die Vereinsfahne ist noch erhalten und wurde zuletzt in der Zweirad-Ausstellung in Eisenstadt öffentlich gezeigt.
  • Der Arbeiter-Radfahrverein ist Vorläuferorganisation des ARBÖ. Erst in den 1930er-Jahren kam zu den Radfahern eine Motorfahrsektion dazu.

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