Wie die Kirchengasse entstand

Der Bereich der Kirchengasse in Steinbrunn lag jahrhundertelang außerhalb des eigentichen Ortes – wie die Pfarrkirche auch. Wie es zur Verbauung kam, erzählt dieser kurze Artikel.

Viele Jahrhunderte lang war der Weg zur Pfarrkirche auf dem Hügel über Steinbrunn nur von Alleebäumen gesäumt. Die Gläubigen gingen auf ihrem Weg zur Messe oder auf den Friedhof also aus dem Ort hinaus, über einen relativ steilen Weg hinauf zur Kirche. Die Lage der Kirche außerhalb des Ortes war auch Grund dafür, dass im Ort eine kleinere Kirche (heutige Kapelle in der Hauptstraße) errichtet wurde, die für den täglichen Kirchenbesuch praktikabler war – besonders im Winter.

Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann die Verbauung der heutigen Kirchengasse. Die neuen Häuser unterschieden sich ganz wesentlich von den alten, langen Streckhöfen im Ort. Es handelt sich um Kleinhäuser, um Häuser von Söllnern. Söllner waren Besitzer einer Hofstatt ohne Ackerland. Die kleinen Grundstücke reichten gerade aus, um ein einfaches Gebäude darauf zu errichten. Für Stall und Speicher blieb kein Platz, nur Kleinvieh (etwa Hühner) konnte gehalten werden.

In den Akten der Komitatsbehörde in Sopron (Ödenburg) sind Unterlagen erhalten, die belegen, dass die ersten Häuser der Kirchengasse in den 1850er Jahren errichtet wurden. Die erste Verbauungsphase erfolgte im Verbund, es wurden mehrere Häuser gleicher Art errichtet.

Am 13. April 1854 wurde von der Komitatsbehörde dem Bezirkskommissär in Mattersburg (Steinbrunn gehörte damals zum Bezirkskommisariat Mattersburg) aufgetragen, an Ort und Stelle Erhebungen aufzunehmen, da Anträge auf die Errichtung von Söllnerhäusern eingelangt waren. Erst am 16. September 1854 erging die Meldung zurück nach Ödenburg, dass in Steinbrunn keine Einwendungen festgestellt werden konnten und 19 Häuser errichtet werden könnten.

Die eigentliche Bewilligung der Ortserweiterung durch die Söllner-Bauten erfolgte mit einem Dekret vom 1. Februar 1855. Die vorgelegten Pläne wurden bewilligt und strenge Auflagen festgelegt. Die Häuser sollten gewissen modernen Maßstäben gerecht werden. Sie durften nur eine bestimmte Größe aufweisen, waren aus Steinen oder gebrannten Ziegel zu errichten, die Dächer mussten mit Ziegel eingedeckt werden und die Rauchfänge mussten schliefbar sein. Nach der Errichtung der Häuser wurde die Einhaltung dieser Auflagen kontrolliert.

Wer waren die Menschen, die in die neuen Häuser einzogen? Der große Bedarf an Kleinhäusern war eine Folge der Bauernbefreiung (Aufhebung der Untertänigkeit) und den Schwierigkeiten, die sich daraus für die Landwirtschaft ergaben. Die Bauern erhielten Eigentum, das alte System der Unterbringung der Nachkommen im eigenen Haus funktionierte dadurch nicht mehr. Viele junge Familien setzten daher auf einen Neustart in einem eigenen Haus – auch wenn mangels Grundbesitz keine eigene Landwirtschaft betrieben werden konnte. Arbeit und Einkommen wurden dadurch vom Haus, in dem man lebte, entkoppelt. Die Häusler in der Kirchengasse waren keine Selbstversorger im Rahmen der bäuerlichen Subsistenzwirtschaft mehr. Sie musste einem Beruf außerhalb ihres Hauses nachgehen.

Quelle: K.k. Komitatsbehörde, Ödenburg, Fasz. 30, Nr. 8034, 1854

Hans Paul, Vom Hausbau der Söllner in den Fünfzigerjahren des 19. Jahrhunderts. Burgenländische Heimatblätter 43, 97ff. Eisenstadt 1981.

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