April 1945: Der „Beißer“ und die ersten Nachkriegstage

Heuer jährt sich das Ende des Zweiten Weltkriegs zum 70. Mal. Hier ein erster Beitrag zum Schwerpunkt. Er konzentriert sich auf die ersten Nachkriegstage und stützt sich auf eine offizielle Mitteilung der Gemeinde zu den Geschehnissen von damals. Am Ostersonntag, dem 1. April 1945, wurde Steinbrunn am Nachmittag „kampflos“ – so der Bericht –  von russischen Einheiten eingenommen. Einen Tag zuvor, am 31. März 1945, waren beim einem Angriff russischer Tiefflieger in Steinbrunn zwei deutsche, vier ungarische Soldaten und eine ungarische Frau getötet worden. Bei der Sprengung eines russischen Panzers brannte das Haus Nr. 123 vollständig ab, das Haus Nr. 218 wurde erheblich beschädigt. Auf die Frage, warum der Panzer gesprengt wurde, obwohl doch der Ort kampflos eingenommen wurde, gibt die Mitteilung keine Antwort.

Drei Häuser wurden durch Artillerietreffer beschädigt. Rund 100 Pferde wurden von den Russen sofort beschlagnahmt, nur ein „Beißer“ konnte nicht aus dem Stall gebracht werden. In allen Häusern wurden russische Soldaten untergebracht. Die Feldküchen dieser Fronteinheiten verbrauchten rund 260 Schweine und 1.300 Hühner aus Steinbrunner Bauernhäusern. Rinder wurden erst später abtransportiert. Innerhalb von drei Tagen war der in den Kellern lagernde Stinkenbrunner Wein ausgetrunken. Frauen versteckten sich in Kellern und auf Dachböden, kleideten sich in Lumpen, um von betrunkenen Soldaten als „alte Weiber“ angesehen zu werden. „Einzelne Vergewaltigungen“ ließen sich aber nicht verhindern. Die russischen Soldaten durchsuchten alle Häuser nach Fahrrädern und Radiogeräten, letztere wurden aber später wieder ihren Besitzern ausgehändigt.

Nach Abzug der Frontsoldaten blieben nur wenige Soldaten im Ort, „ihre Anwesenheit wurde kaum beachtet“. Ein entsetzliches Drama ereignete sich: Beim Spielen mit Sprengkörpern starben in diesen Apriltagen drei Buben und sechs Kinder wurden zum Teil schwer verletzt. Daher bemühte sich die provisorische Gemeindeverwaltung, rasch Wege und Felder von Sprengkörpern zu säubern. „Ende April 1945 ging man wieder langsam an die Bestellung der Felder“, merkt der Bericht an. Diese Darstellung ist in der Landestopographie veröffentlicht und fußt auf den sogenannten „Gemeindeberichten“, die 1959 von den Gemeinden angefertigt werden mussten und über das Jahr 1945 und die Wiederaufbaubemühungen jeder einzelnen Gemeinde Auskunft geben.

Ergänzend: In der Mitteilung der Gemeinde wird zwar von einer „kampflosen“ Einnahme gesprochen. Damit kann aber nur gemeint sein, dass die Ortsbevölkerung sich an den Kampfhandlungen nicht beteiligte. Berichtet wird, dass abziehende deutsche Verbände auf Höhe der Pfarrkirche auf die heranrückenden Russen schossen und die Russen zurückschossen.

Quelle: Landestopographie Burgenland , Bezirk Eisenstadt Bd. 2 1963.

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