Am Steinbrunner Gemeinschaftshaus befindet sich an der Außenmauer ein „Hauszeichen“. Genau genommen handelt es sich dabei um mehrere Reliefs, die Figuren und Ornamente zeigen und mit der Jahreszahl 1672 versehen sind. Ein Mann sitzt auf einem Weinfass, darüber ist eine Figur dargestellt, die ihre Füße in den Händen hält („Springer“). Neben dem „Fasslreiter“ stehen zwei weitere Figuren. Unter dem Relief befindet sich ein weiteres ornamentales Relief, vermutlich mit einem Gesicht (mit herausgestreckter Zunge?). So sehen die Reliefs heute aus:

In bisherigen Beschreibungen und Deutungen der Reliefs gibt es einige Vermutungen. Es handle sich bei den Darstellungen um steinerne Mahnungen an die Besucher des Weinkellers, der hier einmal untergebracht war. Sie spielen also auf die Gefahr der Trunkenheit und das alkoholisierte „verrückte“ Treiben an. Vergleichbare Hauszeichen finden sich in der Region nicht.
Ein wichtiger Aspekt des „Hauszeichens“ wurde aber bisher nicht berücksichtigt. Er zeigt sich bei der Analyse von alten Aufnahmen des Gemeinschaftshauses. Betrachten wir folgendes Foto genauer:

Zu sehen ist die Front des Gemeindegasthaus (dem Vorgängerbau des Gemeinschaftshauses) von der Straße aus, mit Blick über den Platz, wo heute der Kedl-Brunnen steht. Die Aufnahmezeit lässt sich recht gut eruieren. Auf der Tafel vor dem Eingang rechts hängt ein Schild mit „Gemeindegasthaus Johann Leeb“. Johann Leeb war von 1926 bis etwa 1930 Pächter des damaligen Gemeindegasthauses. Die Aufnahme zeigt also das Gebäude vor den Umbauarbeiten nach 1930, die notwendig wurden, da das Gasthaus aufgrund von Baumängeln behördlich geschlossen wurde.
In der Bildmitte ist der Eingang in den Keller zu sehen (runder Türbogen), dort, wo sich auch noch heute der Außeneingang zum Keller des Gemeinschaftshauses befindet. Über der Kellertür ist das „Hauszeichen“ zu sehen. Sehen wir uns diesen Teil des Hauses näher an:

Fallen Ihnen die Unterschiede zu heute auf?
- Die Gruppe mit dem „Fasslreiter“ und der „Springer“ bilden eine Einheit und sind nicht – wie heute auf der Fassade – von einander abgesetzt.
- Das Gesicht „mit der herausgestreckten Zunge“ ist nicht zu erkennen – jedenfalls befindet es sich nicht an der heutigen Stelle.
- Über dem „Hauszeichen“ befindet sich eine Kartusche, also ein Zierrahmen. Das Gesicht „mit der herausgesteckten Zunge“ dürfte oberhalb des Rahmens angebracht sein. Die Kartusche ist heute nicht mehr zu sehen.
Der Zierrahmen ist auf dieser Aufnahme leer. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass die Kartusche eine Funktion gehabt hat. Ein Rahmen für ein Fenster wäre möglich, da sich hier über dem Keller Räume befinden. Möglich wäre aber auch ein Bild, ein Heiligenbild, oder ein Wappen. Jedenfalls muss das „Hauszeichen“ mit seinen Reliefs als Teil des Zierrahmens gesehen werden. Es handelt sich also nicht um ein singuläres Relief ÜBER einem Kellereingang. Sondern um den Teil einer Fassadendekoration, die vielleicht auch ein Bild oder Wappen umfasste.
Die Kartusche dürfte schon bei den Umbauarbeiten um 1930 verschwunden sein. 1933 fiel dem damaligen Landeskonservator Dr. Hautmann das „Hauszeichen“ auf. Er schrieb an das Landesmuseum in Eisenstadt: „In Stinkenbrunn befindet sich auf einem alten der Gemeinde gehörigen Haus in der Ortsmitte nächst der kleinen Kapelle ein stark übertünchtes Relief, das in grob bäuerlicher Manier ein Weinfass mit 4 um dieses gruppierte Gestalten darstellt. Das Haus war früher Wirtshaus. Die Gruppe gehört ins Wolf Museum !!!!!!!!“
Wäre der Zierrahmen damals noch vorhanden gewesen, wäre er dem Experten sicher aufgefallen. Die Reliefs kamen jedenfalls nicht ins Museum.
Eine Anregung: Der ursprünglich Zusammenhang zwischen dem „Springer“ und der „Fasslreiter“-Gruppe könnte wohl restauratorisch wieder hergestellt werden.
Übrigens: Das nur wenige Meter entfernte Wegkreuz in der Hornsteiner Straße trägt die Jahreszahl 1662. Diese Pestsäule (darauf weist der Totenkopf an der Basis des Pfeilers hin) weist stilistisch Ähnlichkeiten mit dem Hauszeichen auf.