1879: Frankolin aus der Haftanstalt Stein entsprungen

In Bearbeitung!

Vier gefährliche Verbrecher entsprungen.
Aus der Strafanstalt Stein sind am 5. d. M. vier gefährliche Verbrecher, darunter Schwindler erster Größe entsprungen und nur einer wieder eingeliefert. Es ist dies erstens Charles Martin, auch Henri Georg Gray und Udandy Julius genannt und Johann Frankohn. Ersterer, ein gewesener Reisender des Hauses Surmonk und Komp. In London, zuletzt in Hamburg wohnhaft gewesen, wurde vom hiesigen Landesgerichte und über Berufung auch durch obergerichtliches Erkenntniß wegen Verbrechens des Betruges und Uebertretung der Falschmeldung zu drei Jahren schweren Kerkers, verschärft durch einen Fasttag in jedem Monat und zur Ausweisung aus allen Kronländern Oesterreichs verurtheilt. Er hatte sich nämlich Fälschungen süddeutscher Bankpapiere und Checks, die er in einer hiesigen Wechselstube an Mann brachte, zu Schulden kommen lassen, wodurch dieselbe um beinahe 10.000 fl. geprellt wurde. Seine Strafzeit läuft erst am 26. Oktober 1871 ab. Charles Martin ist groß, stark, hat braunen, grau gemischten Vollbart, spricht mangelhaft deutsch und steht im 48. Lebensjahre. Der zweite der entsprungenen Sträflinge ist Johann Frankohn, aus Stinkabrunn, Bezirk Eisenstadt gebürtig, 24 Jahre alt, und von starkem Körperbau. Beide waren bekleidet mit neuen, langen, dunklen Röcken, Kappen aus Futterstoff, sonst in Sträflingskleidern von Zwillich. Die beiden anderen Entsprungenen sind Mauthofer (Wiener) und Stummer (Oberösterreicher). Letzterer wurde attrapirt und wieder in einsame Haft genommen. Die ersten drei sind an drei Wachposten vom Infanterie-Regimente Este ungesehen vorbei in Zivilkleidern, an welchen sie selbst in der Schneidereiarbeiteten, nach Durchseilung der Fenstergitterstäbe entwichen und wurden an der Donau von Dampfschiffarbeitern gesehen. Alles, was man hinsichtlich ihrer Entweichung weiß, läuft dahin aus, daß ihnen Geldmittel zu Gebote standen und daß sie die Donaubrücke nicht passirten. Mauthofer und Stummer waren beide bei der Revolte am 1. Mai betheiligt, und hatten erneuerte Strafe dafür abzubüßen. Von Martin verlautet, daß er entsprungener Galeerensträfling, in Oesterreich wegen Betrug neuerdings verhaftet worden sei, und daß er dann nach Baiern, von dort nach Frankreich abgegeben werden müsse, in welchen Ländern er mehrere Jahre abzusitzen habe. Noch vor wenig Monaten war er Schuld, daß ein Wachmann seinetwillen entlassen wurde, man sprach von einer hohen Summe, welche diesem von Martin’s Helfershelfern für dessen Befreiung geboten worden sein soll. Man spricht auch im vorliegenden Falle von einer Bestechung, jedenfalls sah man die drei Wachen unter Bedeckung ins Stockhaus transportiren. Jedenfalls haben die Gauner einen tüchtigen Vorsprung, da man außerdem im Strafhause, wie es scheint etwas rathlos, die ersten kostbaren Stunden verstreichen ließ, ehe man sich an die Verfolgung machte. Ueber die Richtung, wohin sich die Entsprungenen gewendet, wird die Vermuthung ausgesprochen, daß sie auf einem Holzschiff gegen Wien gefahren seien.

Am 5. d. M. nach 3 Uhr Morgens sind die nachstehenden 3 äußerst gefährlichen Individuen aus dieser Strafanstalt entwichen, daher eindringlichst zu verfolgen: Charles Martin, auch Gray oder Freret Georg genannt, aus Paris gebürtig, Kaufmann, 48 Jahre alt, groß, stark, mit rundem Gesicht, dunkelbraunen Haaren, hoher Stirne, braunen Augenbrauen, grauen Augen, kleiuer Nase, ovalem Munde, gesunden Zähnen, braunem, graugemengtem Vollbarte, französisch, englisch und ewas deutsch sprechend – Mauthofer Ignaz aus Wien gebürtig, Kutscher 23 Jahre alt, mittelgroß, mit rundem Gesicht, braunen Haaren und Augenbrauen, valer Stirne, grauen Augen, dicker Nase, großem Mund, rundem Kinn, bloß deutsch sprechend – und Frankolin Johann, aus Stinkenbrunn, Bezirk Eisenstadt in Ungarn gebürtig, Vagant, 24 Jahre alt, klein, stark, mit rundem Gesicht, blonden Haaren, gewölbter Stirne, braunen Augenbrauen und Augen, kurzer breiter Nase, weitem Mund, mangelhaften Zähnen, blondem Barte, deutsch, kroatisch und etwas ungarisch sprechend. Bekleidet waren dieselben mit neuen, langen dunklen Röcken, Kappen aus Futterstoff, zwiklichener Sträflingshose, Leibl, Fußsocken und Schuhen. (K. k. Strafhaus-Direktion Stein, 5. Juli 1870.)

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