1902: Der Mord im Hartl

In Bearbeitung!

Ein Familiendrama
(Die Gattin auf gräßliche Weise ermordet)
Aus Stinkenbrunn (Ungarn) wird gemeldet: Der 53 Jahre alte Johann Bauer, Bergmann im Eszterhazyschen Kohlenbergwerk in Neufeld, wurde hier unter dem dringenden Verdachte, seine Gattin ermordet zu haben, verhaftet. Man erfährt hierzu folgendes: Bauer war seit 24 Jahren verheiratet und lebte mit seiner Gattin schon seit mehreren Jahren in Unfrieden. Seine um zwei Jahre jüngere stocktaube Gattin Marie Bauer klagte ihr Leid sehr oft dem Ortsrichter Rechtberger, welcher sie wieder zum Werkdirektor wies. Diesem gelang es immer, die Eheleute auf längere Zeit zu versöhnen. Nach vorhergegangenen, abermaligem heftigem Familienzwiste verließ am 12. Dezember v. J. Frau Bauer mit ihren beiden Kindern, einem Sohne und einer Tochter, 14, beziehungsweise 12 Jahre alt (der Ehe entsprossen 11 Kinder, wovon nur nicht die beiden leben), die Wohnung ihres Mannes und begab sich nach Neufeld zu der ihr befreundeten Familie Löffler, wo sie liebevolle Aufnahme fanden. Am 17. Dezember, vormittags 8 Uhr begab sich Frau Bauer zu Fuße nach dem 15 Kilometer entfernten Eisenstadt, um sich beim Oberstuhlrichteramt ein Arbeitsbuch zu lösen, da ihr in der Neufelder Jutefabrik Arbeit versprochen worden war. Frau Bauer kehrte jedoch nicht mehr zurück, und es wurde festgestellt, daß sie an jenem Tage in Eisenstadt nicht eingetroffen war. Noch am Abende des 17. Dezember v.J. kam Johann Bauer nach Neufeld zu seinen Kindern und fragte diese, wo die Mutter sei. Die Kinder sagten, daß sie es nicht wüßten. Als am 18. Dezember die Frau noch nicht erschienen war, machte Bauer die Abgängigkeitsanzeige und bemerkte dabei, daß, im Falle seine Frau irgendwo aufgefunden werden sollte, kein Verdacht auf ihn falle, ihr etwas angetan zu haben. Alle Nachforschungen nach der Verschollenen blieben ohne Erfolg. Am 9.d.M. fan in der von Stinkenbrunn zehn Minuten entfernten Hartlschen Fasanerie Holzverteilung statt. Dabei wurde in einem Gestrüppe knapp am Wege die Leiche einer Frau, am Rücken liegend, aufgefunden.
Die erschienene gerichtliche Kommission nahm die Untersuchung der Toten vor. Der Kopf der Leiche war mit einem Umhängetuch zugedeckt. Als man das Tuch entfernte, wurde die Leiche als die der abgängigen Frau Marie Bauer agnosziert. Beide Augäpfel waren ausgeronnen. Aus dem Munde ragte ein Stückchen eines blauen Taschentuches hervor. Als man dieses auf dem Munde ziehen wollte, zeigte es sich, daß das ganze Taschentuch bis in die Speiseröhre hinabgestoßen worden war. Die Zähne waren der unglücklichen Frau, als ihr der Mörder das Taschentuch in den Rachen stieß, ausgerissen und mit in den Schlund hinabgestoßen worden, wo sie auch bei der Obduktion gefunden wurden. Um den Hals war der Ermordeten ihre Schürze festgeschlungen. Beide Hände, welche starke Kratzwunden aufgewiesen und Zeugnis der größten Gegenwehr ablegten, waren ihr am Rücken mit Bändern gefesselt. Der Leiche waren die Schuhe ausgezogen und zeigten die Strümpfe keinerlei Schmutz, woraus geschlossen wird, daß der Mord an dieser Stelle ausgeführt wurde und nach der Ermordung ihr die Schuhe ausgezogen worden waren. Es waren dies neue, schwarzlederne Schnürschuhe. Neben der Leiche stand das Einkaufkörbchen der Frau Bauer, in welchem ein Gebetbuch und ein Notizbuch sich befanden. Als man nun Bauer verständigte, daß man seine Frau im Walde als Leiche gefunden habe, sagte er in zynischer Ruhe: „Lass´t sie nur liegen!“ Von der Gendarmerie behufs Agnoszierung seiner Gattin zur Leiche geführt, sagte er: „Ja, sie ist’s schon.“ Während des mit ihm vorgenommenen strengen Verhöres und zur Nachweisung seines Alibis verhalten, verwickelte sich Bauer in solche Widersprüche, die zur Annahme führten, daß er am 17. Dezember v.J. seine Frau ermordet habe. Bauer wurde gestern von der Gendarmerie dem Bezirksgerichte Eisenstadt eingeliefert.

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