Der Absturz eines US-Bombers in Steinbrunn

Am 10. Mai 1944 stürzte gegen 11 Uhr eine US-amerikanische B 17 westlich von Steinbrunn ab (in der Gegend des heutigen Bründlfeldweges). Die Maschine war mit weiteren Bombern Richtung Wiener Neustadt unterwegs und wurde wahrscheinlich von der Flak-Abwehr, die bei Eggendorf auf einem Zug stationiert war, getroffen und abgeschossen.

Das Absturz-Ereignis hat sich im kollektiven Gedächtnis im Ort stark verankert. Allerdings lassen sich dennoch die genauen Umstände des Absturzes und vor allem die Frage, wieviele Tote und Überlebende es gegeben hat und was mit diesen passiert ist, nicht abschließend klären. In den verschiedenen Büchern, die sich in der Vergangenheit mit dem Krieg in unserer Region beschäftigen, gibt es zahlreiche widersprüchliche Angaben.

Anhand der mir vorliegenden Originaldokumente lassen sich aber wesentliche Punkte festmachen. Auch lässt sich die Besatzungsliste rekonstruieren. Beginnen wir mit einem zusammenfassenden Schreiben vom 17. Mai 2020 an die zentrale Meldestelle in Frankfurt:

Demnach wären fünf Insassen der Maschine tot, nur zwei Personen, Leutnant Joseph J. McCarthy und „Haskell Plasater“ (richtig: Haskell P. Lasater), seien identifiziert worden. Das Bomber sei mit seiner Bombenlast explodiert und komplett zerstört.

Die vollständige Besatzung einer Boeing 17 (B17) bestand aus zehn Personen (in dem Wehrmachtbericht fehlen also einige). Das Flugzeug sah wie dieses aus:

B-17

Die Angaben in der Meldung oben sind offenkundig falsch bzw. unvollständig.

In einer Meldung vom 7. Juni 1944 – also rund einem Monat nach dem Absturz – hielt die sogenannte „DULAG-Luft“ (Durchgangslager der Luftwaffe, Gefangenenlager) folgende Besatzungsmitglieder der Steinbrunner B17 fest: Major Homer Thomas Hill, Colonel Jabob Edward Smart und Sergant Alvoy Jessie Carter wurde gefangengenommen und in einem DULAG interniert. Die in dem Fernschreiben genannten McCarthy und Lasater wurden tot aufgefunden und am Steinbrunner Friedhof bestattet. Die weiteren Besatzungsmitglieder Roland D. Anderson und Louis Munoz waren ebenfalls tot und wurden in Zillingtal begraben. An der Absturzstelle wurde ein weiterer Toter gefunden, dessen sterbliche Reste laut diesen Unterlagen an Ort und Stelle begraben wurde. Laut dieser Zusammenstellung waren also acht Besatzungsmitglieder identifiziert bzw. festgestellt worden.

Aus weiteren Unterlagen der Fliegerhorstkommandantur Wiener Neustadt (jene Einheit, die mit ihrem Flak den Bomber abgeschossen haben soll) geht hervor, dass Colonel Smart und Sergant Carter nach dem Absturz noch in Steinbrunn gefangen genommen wurden. Der Kommandant des Flugzeugs, Major Hill, schlug sich tagelang durch und wurde erst am 14. Mai 1944 um 4 Uhr früh bei Schattendorf aufgegriffen und verhaftet.

Die Downed Allied Air Crew Database Austria (DAACDA) nennt auf Grundlage umfangreicher Archiv-Recherchen die Liste der zehn Besatzungsmitglieder samt ihren Funktion im Bomber.

NameRankFunctionDestiny
Roland D. AndersonGunner 5S/SgtKIA
Alvoy J. CarterGunner 6SgtEUS
Rocco J. FlamingoGunner 3T/SgtKIA
Homer T. HillCo-PilotMajEUS
Elmer C. KehbergerGunner 2T/SgtDED
Haskell P. LasaterBombardier1st LtKIA
Joseph J. McCarthyNavigator2nd LtKIA
Edward Rinck Jr.Gunner 12nd LtDED
Jacob E. SmartPilotColEUS
Edwin R. ZohlerGunner 4S/SgtDED

Die Leichen von Rocco J. Flamingo, Elmer C. Kehberger, Edward Rinck Jr. und Edwin R. Zohler wurden nicht gefunden. Vermutlich waren sie schon bei der Explosion der Maschine in der Luft ums Leben gekommen oder verbrannten im Wrack.

Rund um diesen Absturz wurden nach Krieg mehre unglaubliche Geschichte weitererzählt: So sei Besatzungsmitgliedern zwar der rechtzeitige Ausstieg mit Fallschirm geglückt, sie seien dann aber alle (!) an Weingartenstöcken gepfählt worden. Weiters sei ein Hund an Bord gewesen, der den Absturz überlebt und noch nach dem Krieg in Neufeld weitergelebt hätte.

Aufgrund der vorhandenen Unterlagen lässt sich Folgendes rekonstruieren: Die B17 (42-97655 (MARC: 4722) dürfte nach dem Flaktreffer bereits in der Luft explodiert sein. Dennoch dürfte mehreren Besatzungsmitgliedern der Absprung aus der abstürzenden B17 mit dem Fallschirm geglückt sein, darunter jedenfalls den Überlebenden Hill, Smart und Carter. Der Ausstieg dürfte aber auch Anderson und Munoz gelungen sein, da sie in Zillingtal begraben wurden und offenbar zuvor auf Zillingtaler Hotter, also nicht an der Absturzstelle, aufgefunden worden waren.

In vielen Fällen kamen Besatzungsmitglieder von abgeschossenen Maschinen nicht beim Absturz ums Leben, sondern wurden während oder nach ihrem Aufgriff ermordet (wie zB der gutdokumentierte Fall von Schützen am Gebirge zeigt). Für die in Steinbrunn abgestürzte B17 gibt es für solche Vorfälle keine konkreten Hinweise. Die in Steinbrunn gefangen genommenen Absturzüberlebenden Smart und Carter wurden jedenfalls nachweislich in ein DULAG verbracht.

Von Colonel Jacob E. Smart wissen wir, wie sein Leben weiterging. Er überlebte den Krieg und wurde ein ranghoher US-Militär (er hat sogar einen Wikipedia-Eintrag). Der General starb 2006 im Alter von 97 Jahren.

Auch Alvoy Jessie Carter überlebte uns starb 1981 im Alter von 70 in Teas.

Die am Steinbrunner Friedhof 1944 begrabenen Besatzungsmitglieder der B17 wurden nach dem Krieg von den Amerikanern exhumiert und in die USA überführt.

3 Gedanken zu “Der Absturz eines US-Bombers in Steinbrunn

  1. Sehr geehrte Autoren dieser Internetseite !
    Zuerst möchte ich Ihnen gratulieren für Ihr Werk – bin durch Zufall auf diese Internetseite gekommen (hab bei Esterhazy Forst eine Telefonnummer gesucht??) und übers Hartl-Jagdschlössl bin ich auf diese Seite gestoßen.
    Zum Absturz eines Bombers über Steinbrunn – möchte ich Ihnen folgendes erzählen:
    Mein Vater (Roman Steurer) hat uns Kinder immer erzählt – wenn wir Fotos von früher angeschaut haben – dass unser ehemaliger Schäferhund „Vera“ von einem amerik. Flugzeugabsturz über Zillingdorf Bergwerk stamme. Der Werkler „Hoida“ Fuchs hat diesen Flugzeugabsturz miterlebt und hat diesen Hund eingefangen und dann meinem Grossvater Josef Steurer geschenkt. Laut Erzählungen meines Vaters wurden die Überlebenden von der SS gleich erschossen. So hat er es uns zumindest erzählt. Dieser Schäferhund soll dann bei uns als Haushund bis in die Anfang 50er Jahre gelebt haben. Wir haben auch ein Foto von diesem Hund – wie er neben dem Kinderwagen meiner Schwester sitzt. Dieses Foto suchen wir gerade verzweifelt. Diese Angaben kann ich Ihnen nur mitteilen – so wie es wir halt von unseren Elter erzählt bekommen haben.
    Liebe Grüsse aus Neufeld
    Josef Steurer

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